«Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.»
Mahatma Gandhi
In diesem Artikel lernst du:
Warum Teilzeit-Führung für uns alle von Nutzen sein kann.
Warum es für viele so schwer ist, in Teilzeit zu führen.
Was du beachten solltest, damit es funktioniert.
Immer mehr gut ausgebildete Menschen möchten mehr vom Leben, als den Grossteil der Woche mit bezahlter Arbeit zu verbringen. Arbeit ist zwar nach wie vor wichtig für den eigenen Selbstwert, sollte aber sinnvoll sein und einen Mehrwert für die Gesellschaft bringen. Arbeitnehmende möchten häufig mehr bewirken als nur Umsatz zu generieren. Die Aufgabe soll idealerweise einen höheren Zweck (purpose) haben und ihnen ermöglichen, ausreichend Zeit für andere Lebensbereiche zu haben und so langfristig gesund zu bleiben.
Dafür eignen sich flexible Arbeitszeitmodelle und Teilzeitstellen.
Wie kommt es zu diesem Wertewandel?
Viele top ausgebildete Menschen haben heute genug von dysfunktionalen Familienkonstellationen aufgrund von Arbeitsüberlastung und dauerhaftem Stress. Sie möchten es besser machen, für ihre Kinder da sein und ihnen gute Kommunikation, Verhandlungsgeschick und Durchhaltevermögen vorleben. Das erfordert Zeit, Geduld und die ständige Bereitschaft, an sich selbst zu arbeiten. Dauerhafter Stress bei der Arbeit ist diesen Zielen nicht förderlich. Psychische Probleme, körperliche Beschwerden und schlechter Schlaf können Folgen einer längeren Überbelastung sein. Manchmal greift man dann zu Alkohol, Tabletten oder anderen Drogen, was kurzfristig helfen mag, aber langfristig neue Probleme schafft. Weniger, dafür bewusstere Arbeitsstunden helfen, wieder mehr mit sich in Einklang zu kommen.
Es ist wichtig, im Berufsalltag immer wieder innezuhalten, Prioritäten zu setzen und zu überprüfen, ob du noch auf Kurs bist. (Siehe auch «5 Tipps für eine ausgeglichene Work-Life-Balance»).
Eine Möglichkeit, eine bessere Balance zwischen Arbeit und anderen Lebensbereichen zu finden, ohne dabei auf angemessene berufliche Herausforderungen zu verzichten, kann darin bestehen, Führungsverantwortung in Teilzeit zu übernehmen.
Teilzeitarbeit ist wertvoll
Flexible Arbeitszeitmodelle können sich positiv auf das Arbeitsklima und die Mitarbeiterzufriedenheit auswirken.
Lange hatte man ein stereotypisches Bild einer Führungskraft – sie weiss alles und entscheidet allein. Doch ist das noch zeitgemäss? Mitarbeitende wollen, das sagt der Name schon, mitdenken und Verantwortung übernehmen. Ein Team, das befähigt wird, Initiative zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen, wächst über sich hinaus. Ein Vorgesetzter muss sich dafür allerdings überwinden, nicht alles kontrollieren zu wollen. Das ist oft schwierig.
Wir alle sabotieren uns ständig selbst, sagen uns Dinge wie: «Ich muss perfekt sein. Sonst werde ich als Hochstapler enttarnt». Oft werden dann die eigenen hohen Erwartungen an sich selbst auch auf andere projiziert, was wiederum zu Stress und Unzufriedenheit bei den Mitarbeitenden führt. Glücklicherweise können wir lernen, diese inneren Saboteure zu erkennen und ihnen die Stirn zu bieten. Siehe dazu meinen Artikel «Mental Fitness – dein Ticket in eine selbstbestimmteres Leben».
4M als Grundvoraussetzung für eine Führungsposition
Grundbedingung für eine Führungsposition ist der Grundsatz 4M: Man muss Menschen mögen. Wer Menschen mag, hört auf sie und ist offen für kreative und innovative Lösungen. Um effizient zu sein, brauchen Führungskräfte in Teilzeit genau diese Eigenschaft. Das wiederum kommt der ganzen Firma zu gut.
Und noch etwas: Wenn wir als Gesellschaft eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Care-Arbeit anstreben wollen, braucht es mehr Führungspositionen in Teilzeit, nicht weniger, so dass die Doppelbelastung von Care- und Erwerbsarbeit gerechter verteilt wird! Es wäre dann für alle gut ausgebildeten Fachkräfte möglich, Familie und ausreichend Zeit dafür zu haben sowie einen spannenden Job, ohne dabei auszubrennen.
Teilzeit heisst nicht unbedingt weniger Inhalt
Teilzeit muss nicht heissen, dass für eine Führungsfunktion weniger Zeit investiert wird. Es gibt tolle Modelle, wie z. B. Job-Sharing, - bei gemeinsamer Führung nennt man das Top-Sharing - bei der eine Aufgabe (Rolle) mit 100 oder mehr Prozent ausgeschrieben wird. Zwei Menschen füllen sie dann aber gemeinsam aus, so ähnlich wie die Familienaufgaben als Elternpaar, und sprechen sich selbstständig ab, wie sie sich organisieren. Für Aussenstehende treten sie als eine Einheit auf. Tolle Beispiele für Job- und Top-Sharing finden sich hier.
Mehr Produktivität in weniger Stunden
«Braucht es mich denn nicht Vollzeit als Führungskraft», fragt sich Reto? Er leitet ein Verkaufsteam bei einer internationalen Firma und dachte bisher, dass Führung im Verkauf nur in Vollzeit gehe. Cathy aus einem anderen Team, mit einem reduzierten Führungskraft-Pensum von 70 %, erzielt mit ihrem Team bessere Resultate als er. Wie macht sie das?
Sie hat für das Team sitzungsfreie Tage eingeführt, an denen ihr Team produktiv arbeiten kann. Zudem hat sie klar kommunizierte Zeitfenster, in denen sie für ihr Team erreichbar ist. Es gibt zwei Bürotage pro Woche, an denen alle Mitarbeitenden anwesend sind und zusammen Mittagessen gehen. Dadurch wird sichergestellt, dass sich ein Teamgeist entwickeln kann. Den Rest der Woche dürfen die Mitarbeitenden da arbeiten, wo sie wollen, was ihnen Freiraum lässt für die Ausübung von Hobbys und Gestaltung der eigenen Work-Life-Balance.
Für ihren Job braucht es keine ständige Büropräsenz. Alle zwei Tage trifft man sich für 30 Minuten online, um sich auf den neusten Stand zu bringen und Feedback zu tauschen. Die Kundinnen und Kunden wissen, dass ihre Anfragen innerhalb von 24 Stunden beantwortet werden. Das hat die Überstunden und Hektik für alle drastisch reduziert.
Cathy nutzt Blocker im Kalender um Fokuszeit zu haben. Auch das Mobile ist dann ausgeschaltet. Sie arbeitet dann sehr konzentriert und kommt viel schneller voran, als wenn sie ständig unterbrochen wird. Alles ist im Kalender transparent hinterlegt und das ganze Team arbeitet damit.
Cathy musste anfangs einige Zeit für die Teamentwicklung aufwenden. Sie bezog das Team mit ein, um Optionen zu finden, wie sie am besten zusammenarbeiten können. Sie legten für sich eine Team-Charta für die Zusammenarbeit fest, testeten diese und verbessern sie laufend.
Sie lernte dadurch die Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden viel besser kennen und baute Vertrauen auf. Oft konnten Kleinigkeiten die Situation eines Mitarbeitenden enorm verbessern.
Früher wagten die Mitarbeitenden nicht, diese Dinge anzusprechen. Cathy fördert aktiv das Mitdenken und Einbringen von Ideen und ermöglicht so eine bessere Team-Performance, Zufriedenheit und bessere Beziehungen.
Teilzeit-Führung gelingt: mit klaren Rollen und Kommunikation
Als Führungsperson in Teilzeit hast du eine wichtige Aufgabe: Du musst dafür sorgen, dass dein Team trotz deiner reduzierten Arbeitszeit effizient arbeiten kann. Um das zu erreichen, ist es entscheidend, dass du klare Rollen und Zuständigkeiten festlegst. Frage dich dabei: Wo kann ich mich zurückziehen und welche Aufgaben können auch von anderen übernommen werden? Überlege auch, welche Erwartungen und Vorstellungen du hast und wie du von deinen Mitarbeitenden wahrgenommen werden möchtest.
Am besten ist es, diese Fragen im Team zu besprechen und die Ideen deiner Mitarbeitenden einzubeziehen. Eine offene und verständliche Kommunikation ist dabei essenziell. Nur so kann ein echter Dialog entstehen und mögliche Missverständnisse aufgedeckt werden.
Natürlich braucht es dafür eine Offenheit von deiner Seite, gewisse alte Muster loszulassen und vor allem bereit zu sein, von anderen zu lernen und diesen auf Augenhöhe zu begegnen.
Selbst-Management und Klarheit als Schlüssel zum Erfolg
1985 beschrieb William Oncken Jr. in seinem Buch «Managing Management Time» die Vielzahl an Aufgaben, die auf Führungskräfte einstürmen können und die oft zu einem Gefühl der Überlastung führen. Ob von oben, unten, links oder rechts - die Herausforderungen scheinen unendlich. Doch anstatt die Probleme anderer einfach selbst zu lösen, ist es ratsam, die Mitarbeitenden durch gezielte Fragen zur Selbstreflexion und Problemlösung zu befähigen. Dadurch können sie wachsen und sich weiterentwickeln, während gleichzeitig das Last-Minute-Management reduziert wird. Dies führt zu mehr Selbstsicherheit, Selbstständigkeit und Kreativität bei den Mitarbeitenden. Sie werden sich wertgeschätzt fühlen und neue innovative Wege zur Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen finden.
Selbstverständlich erfordert dies eine Klarheit über die eigene Rolle als Führungskraft und die eigenen Glaubenssätze. Es kann hilfreich sein, diese durch eine Vertrauensperson spiegeln zu lassen, um etwaige innere Konflikte zu identifizieren. Es stellt sich oft heraus, dass innere Stimmen wie der Perfektionist manche Führungskräfte dazu verleiten, zu glauben, dass nur sie die Arbeit gut machen können. Dies führt jedoch dazu, dass sie alle Arbeit zu sich nehmen und letztendlich überfordert sind oder die Mitarbeitenden sich nicht mehr trauen, selbstständig zu arbeiten.
Nicht jede Person ist geeignet, um in Teilzeit zu führen und nicht jede Firma bereit dafür
Obwohl das Führen in Teilzeit grossartige Möglichkeiten bietet, Prioritäten zu setzen, vorausschauend zu denken, Prozesse zu optimieren und Strukturen zu überdenken, erfordert es auch eine gewisse Reife. In stark hierarchisch geprägten Firmen wird es eher nicht funktionieren, denn da führt es zu Flaschenhälsen. Wer Mühe hat mit delegieren und alles kontrollieren muss, dürfte es schwer haben und trotz Teilzeitpensum ständig mehr arbeiten.
Es kann aber auch eine Chance sein, sich den eigenen Glaubenssätzen zu stellen und zu lernen, gelassener zu werden. Es muss nichts so bleiben, wie es ist und manchmal gibt es mehr als einen Weg. Hol dir Hilfe von einer Vertrauensperson und erlaube dir, eine unabhängige Aussensicht zu erhalten. Das gibt dir Klarheit und zeigt dir neue Möglichkeiten auf.
Das Wichtigste ist: Ausprobieren. Du lernst nur, indem du es tust. Mach dich gemeinsam mit deinem Team auf den Weg und entdeckt zusammen, was alles geht, wenn man es einfach tut.
Und wenn es doch nicht klappt? Lernt daraus und versucht es noch einmal. Vielleicht wäre Job-Sharing doch die bessere Option oder sonst eine Variante? Velofahren hast du auch nicht an einem Tag gelernt, oder? Wieso sollte es bei beruflichen Dingen anders sein? Steig einfach wieder auf, bleib neugierig und freue dich, wenn es dann doch klappt.
Und wie mache ich das mit dem Abgrenzen im Teilzeitjob?
Lass dich inspirieren vom Artikel «Grenzen setzen lohnt sich, auch im Teilzeitjob».
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